Dokumentationen und Diagramme zur Pioneer-Anomalie |
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Kompakt
Die Sonden Pioneer 10 und 11 sind seit 2. März 1972 bzw. 5. April 1973 unterwegs und zeigen seit Ende der 70er-Jahre eine anomale Beschleunigung, die auf Grund der sehr genauen Navigation der beiden Sonden entdeckt werden konnte, aber bis heute keine schlüssige Erklärung besitzt. Nach 15 Jahren führe diese Beschleunigung zu einem Abweichen von ca. einer Million km von der vorherberechneten Position.
Die Ansätze zum Verständis dieses ungewöhnlichen Effektes reichen von einer "neuen" Physik, über bisher unbekannte Manifestationen der
Standardtheorie bis hin zu möglichen Messfehlern.
Eventuelle Unklarheiten über die verwendeten griechischen Symbole können hier beseitigt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Die Sonden Pioneer 10 und 11
- Die Pioneer-Anomalie
- Ausblick
- Unsere Literaturempfehlungen (Literatursuche über
Bookpla.net)
- Anregungen und Kommentare
I. Die Sonden Pioneer 10 und 11
Missions-Geschichte
Am 2. März 1972 wurde Pioneer 10 mit Hilfe einer Rakete des Typs Atlas/Centaur/TE364-4 (Abb. 1) gestartet. Bei diesem Trägertyp kam dabei zum ersten Mal eine dritte Stufe zum Einsatz, welche der Sonde die notwendigen 51.810 km/h verliehen hat, um die Passage zum Jupiter zu schaffen. Damit wurde Pioneer zum damals schnellsten vom Menschen erzeugten Objekt, welches je die Erde verlassen hatte. 11 Stunden nach dem Start ist der Mond passiert worden, nach nur 12 Wochen kreuzte die Sonde das Marsorbit in 80 Millionen km Entfernung.
Am 15. Juli 1972 drang die Sonde in den Asteriodengürtel ein und durchquerte ihn ohne Probleme und setzte seine Reise Richtung Jupiter (Abb. 2) fort. Durch die enorme Gravitationswirkung dieses Himmelskörpers auf 132.000 km/h beschleunigt, passierte die Sonde den Riesenplaneten am 3. Dezember 1973 in einer Entfernung von 130.354 km von den oberen Wolkenschichten. Während der Jupiter-Passage erzielte Pioneer 10 die ersten Bilder des Planeten, entdeckte dessen starke Strahlungsgürtel, lokalisierte sein Magnetfeld und identifizierte ihn als größtenteils "flüssigen" Planeten.
Pioneer 11 wurde am 5. April 1973 mit der schon für Pioneer 10 verwendeten Trägerrakete gestartet. Nach einer sicheren Durchquerung des Asteriodengürtels erhöhte eine Zündung der sondeneigenen Triebwerke die Geschwindigkeit um 63,7 m/s, sodass die Jupiterpassage in einer Entfernung von 43.000 km von den oberen Wolkenschichten erfolgen konnte. Durch diesen engen Vorbeiflug konnte in einem Swing-By-Manöver die Reisegeschwindigkeit auf 173.000 km/h erhöht werden, um die Passage zum 2.4 Milliarden km entferten Saturn (Abb. 3, Abb. 4) zu schaffen. Pioneer 11 gelangen die ersten Nahaufnahmen des "Großen Roten Flecks", sie führte erstmals Beobachtungen der ausgedehnten Polarregionen durch und bestimmte die Masse des Jupitermondes Kallisto.
Eine weite Schleife hoch über der Ekliptik führte Pioneer 11 am 1. September 1979 zum Saturn, der zum ersten Mal aus der Nähe aufgenommen wurde. Die Instrumente der Sonde entdeckten 2 neue Monde und einen zusätzlichen Ring, vermaßen die Magnetosphäre des Planeten und sein magnetisches Feld und führten erste Untersuchungen am größten Mond Titan durch. Erste atemberaubende Blicke auf die Detailstruktur des Ringsystems (Abb. 5) ergaben sich beim Vorbeiflug unterhalb der Ringebene. Ring-Abstände, die von der Erde aus dunkel erschienen, erwiesen sich als hell in den Pioneer-Bildern, umgekehrt waren die auf der Erde beobachteten hellen Ringe dunkel in den Sonden-Aufnahmen.
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Abb. 1: Atlas/Centaur/TE364-4-Trägerrakete beim Start.
Abb. 2: Jupiter und "Großer Roter Fleck". |
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Abb. 3: Saturn-Nahaufnahme.
Abb. 4: Saturn mit Mond Rhea.
Abb. 5: Die Ringe des Saturn.
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Sondenbeschreibung
An ihren am weitesten entfernten Enden gemessen ergibt sich ein Abstand von 2,9 m zwischen dem Horn der Rundstrahlantenne und dem Reflektor der Richtstrahlantenne. Der Durchmesser der Richtstrahlantenne beträgt 2,7 m, das Gewicht liegt bei 270 kg. Die Sonde erfährt durch kontinuierliche Rotation um die Achse der Richtstrahlantenne mit 5 Umdrehungen pro Minute eine Lagestabilisierung.
Die elektrische Stromversorgung passiert mittels 4 Radioisotopenbatterien ( RTGs),
von denen jede beim Start 40 W Leistung lieferte.
Folgende Instrumente sind an Bord (Abb. 7): Helium-Vektor-Magnetometer (1), Plasma-Analysator (2), Messgerät für geladene Teilchen (3), Teleskop für kosmische Strahlung (4), Geigerzähler (5), Strahlungsdetektor (6), Meteoriten-Detektor (7), Asteroid-Meteroid-Detektor (8), Ultraviolett-Photometer (9), Photopolarimeter (10), Infrarot-Radiometer (11), Isotopenbatterie (12), Richtstrahlantenne (13), Reflektor für Richtstrahlantenne (14), Rundstrahlantenne (15).
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Abb. 6: Pioneer 10 in der finalen Phase des Zusammenbaus. |
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Abb. 7: Aufbau der Pioneer-Sonden (nach "Lexikon Raumfahrt" [1]).
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Missionsende
Nach dem Rendevous mit Jupiter erforschte
Pioneer 10 die äußeren Regionen des Sonnensystems, den Sonnenwind
sowie die kosmische Strahlung in unserem Teil der Milchstraße. Bis
zum Missionsende am 31. März 1997 führte die Sonde noch zahlreiche
wertvolle Untesuchungen in den Außenbezirken des Sonnensystems durch.
Danach sind die schwachen Signale vom Deep Space Network als Teil einer
Konzeptstudie für nachfolgende instellare Sonden-Missionen noch öfters
verfolgt worden. Nach dem letzten erfolgreichen Kontakt am 7. Februar
2003 fiel die Leistung der Isotopenbatterien in weiterer Folge derart
ab, dass das Sondensignal unter die Nachweisgrenze gesunken ist. Vorhergehende
Kontaktversuche enthielten bereits keine Telemtrie-Daten mehr, welche
am 27. April 2002 zum letzten Mal übermittelt wurden.
Pioneer 10 entfernt sich mit einer konstanten Geschwindigkeit von gut
2,5 AE pro Jahr von der Erdeund wird erst in rund 250.000 Jahren mit Ross
248 im Sternbild Andromeda dem ersten Stern begegnen, ein roter Zwergstern
der 11. Größenordnung im Sternenbild Stier in 10,3 Lichtjahren Entfernung.
In 65,1 Lichtjahren Entfernung wartet Aldebaran
im Sternbild Stier, ein Roter Riese mit dem 36-fachen Sonnendurchmesser,
der in etwa 2 Millionen Jahren erreichen werden wird.
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Abb. 9: Bahnen der Sonden Pioneer
10 und Pioneer 11. |
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Analog zu ihrer Schwestersonde erfoschte
auch Pioneer 11 die äußeren Regionen des Sonnensystems, den Sonnenwind
sowie die kosmische Strahlung in unserem Teil der Milchstraße. Am
30. September 1995 stellte man den wissenschaftlichen Betrieb der Sonde
ein, da durch die zusätzlichen Bahnmanöver beim Saturn mehr Teibstoff
verbraucht wurde als bei Schwestersonde, sodass ein Ausrichten der Sonde
Richtung Erde nicht mehr möglich war. Am 24. November 1995 flog Pioneer
11 nochmals durch den Sichtstrahl der Hauptantenne, sodass Telemtriedaten
empfangen weren konnten. Seit damals wurde kein Kontakt mehr hergestellt,
es ist nicht bekannt, ob die Sonde weiterhin sendet. Pioneer 11 fliegt in
Richtung des Sternbilds Adler
und wird in 4 Millionen Jahren dicht an einigen Sternen vorbeifliegen.
Der aktuelle Missionsstatus kann auf der zugehörigen NASA-Seite
abgerufen werden.
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Die Plakette
Dr.
Carl Sagan [2] und Dr.
Frank Drake [3] entwarfen für die
Pioneer-Sonden eine Plakette, die der Kommunikation mit außerirdischen
Rassen dienen sollte. Sie besteht aus mit Gold galvanisiertem Aluminium,
misst 15,25 cm x 22,8 cm x 0,127 cm und wurde hinter der Hauptantenne
in einer Position fixiert (Abb. 10), die sie vor Erosion durch interstellaren
Staub schützen soll.
Die Plakette soll von der Menschheit erzählen, ihrer biologischen
Form und dem Zeitpunkt ihres Auftretens auf der Erde.
Links oben befindet sich eine schematische Darstellung des Hyperfein-Struktur-Überganges
von neutralem Wasserstoff, der als universelle Einheit sowohl zur Zeit-
als auch Längenbestimmung im gesamten Univerum herangezogen werden
kann.
Als zusätzliche Größenprüfung soll das binäre
Äquivalent der Dezimalzahl 8 dienen, welches sich auf der rechten
Plakettenseite zwischen den 2 Größenmarkierungen für die
Frau befindet. Der Vergleich der Menschen mit der schematisch abgebildeten
Sonde dient als weiterer Hinweis für die Größenabmessungen.
Die Wellenlänge des Hyperfein-Struktur-Überganges von neutralem
Wasserstoff liegt bei ca 20,32 cm, multipliziert man diese Größe
mit der binär dargestellten 8, ergibt sich die Standardgröße
der menschlichen Frau, nämlich 162,56 cm.
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Abb. 10: Montierte Plakette auf der
Pioneer-Sonde. |
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Abb. 11: Inhalt der Plakette der
Pioneer-Sonden. |
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Links vom Zentrum findet man eine
Darstellung der Sonne in Bezug auf 14 Pulsare
und das galaktische
Zentrum, welches durch die horizontale Linie ohne Querstriche dargestellt
ist. Die Querstriche auf den übrigen Linien kennzeichnen binäre
Zeiteinheiten, was aus der dargestellten Genauigkeit abgeleitet werden soll
(10 dezimale Nachkommastellen sind weniger für stellare Distanzen als
viel mehr für Zeitwerte sinnvoll). Von der abgeleiteten Zeiteinheit
des Wasserstoffatoms sollten intelligente Lebensformen folgern können,
dass alle dargestellten Zeiten in 1/10 Sekunden vorliegen, womit nur Pulsare
als Objekte in Frage kommen. Da sich die Periodendauern von Pulsaren wohldefiniert
verringern, kann man diese Himmelskörper als galaktische Uhren verwenden.
Eine fortgeschrittene Zivilisation sollte in der Lage sein, aus den auf
der Plakette dargestellten Periodendauern das Ursprungssystem der Sonde
zu indentifizieren, selbst wenn diese schon Milliarden Jahre unterwegs sein
sollte.
Unter dem Orientierungsdiagramm ist eine Darstellung des Sonnensystems mit
binär kodierten Relativ-Abständen der Planeten zu finden, woraus
auch der Ursprungsplanet der Sonde aus der dargestellten Bahn und der Richtung
der Hauptantenne klar zu indentifizieren sein sollte.
Schließlich stellt die Plakette Mann und Frau in einer für Menschen
typischen Freundlichkeitsgeste dar, die Beweglichkeit der Gelenke ist angedeutet,
die wichtigen vier Finger und der gegenüberliegende Daumen sind klar
hervorgehoben. Die Abbildungen wurden sorgfältig ausgewählt und
ethnisch neutral dargestellt, auf eine Erklärung der offensichtlichen
physiologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau wurde bewusst verzichtet. |
Literaturverzeichnis:
Offizielle NASA-Seiten zur
Pioneer-Mission
NASA History Office
Pioneer Odyssey
[1]: H. Mielke (Hrsg.): Lexikon Raumfahrt, transpress-Verlag, Berlin (1975)
Lexikon Raumfahrt
[2]: C. Sagan: Signale der Erde, Droemer-Knaur-Verlag, München (2000)
ISBN 3426260204
[3]: F. Drake u. D. Sobel: Signale von anderen Welten, Knaur-Verlag, München (1998)
ISBN 3860477692
II. Die Pioneer-Anomalie
Sondennavigation
Der Bobachtungs-Befund
Vergleicht man nun diese gemessene Frequenzdifferenz
mit der berechneten Variante, welche sich aus den Bahndaten und der gravitativen
Wechselwirkung der Massen im Sonnensystem (Gravitationsfelder der Sonne,
der Planeten und Asterioden) sowie der Interaktion mit verschiedenen anderen
Erscheinungen (etwa Sonnenwind und interplanetarer Staub) ergibt, bemerkt
man seit 1979 eine ungewöhnliche Abweichung zwischen Theorie und
Messung, die sich in einer Blauverschiebung des Dopplersignals Δν
äußert. Eine genauere Analyse der Daten für die Zeit zwischen
1987 und 1998 [4,5] ergab zusätzlich eine zeitliche Veränderung dieser
Blauverschiebung (Abb. 13), die sich zu

berechnen ließ.
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Abb. 13: Zeitliche Veränderung der Differenz zwischen berechneter und gemessener Doppler-Geschwindigkeit für Pioneer 10 (nach [5]).
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Münzt man dieses Ergebnis auf Geschwindigkeiten um, erhält man
eine konstante Abbremsung (Abb. 14), die den Namen Pioneer-Anomalie
erhalten hat und zu

berechnet werden kann. |
Abb. 14: Unmodellierte Beschleunigungen von Pioneer 10 und Pioneer 11 in Richtung Sonne (nach [6]).
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Dieser auf den ersten Blick zahlenmäßig klein erscheinende Wert beträgt ca 10-5 der Sondenbeschleuinigung durch Newtonsche Dynamik und liegt um Größenordnungen über den relativistischen Korrekturen, die im Bereich zwischen 10-8 und 10-10 anzutreffen sind. In 15 Jahren ergibt sich so eine Abweichung von ca. 1 Million km von der vorherberechneten Position.
Verschiedene Kontrollrechnungen und Abschätzungen bestätigen für das Ergebnis eine numerische Genauigkeit, die innerhalb der Fehlergrenzen der Messung liegt, zudem wurde die Beschleunigung für Pioneer 10 und 11 unabhängig bestimmt und eine Übereinstimmung innerhalb von 3% gefunden.
Verschiedene andere Raumsonden scheinen ähnliche Beschleunigungen zu erfahren [6]. |
Literaturverzeichnis:
[4]: H. Dittus u. C. Lämmerzahl: Physik Journal, Jänner 2006, S. 25
[5]: J. D. Anderson et al., Phys.
Rev. Lett. 81, 2858 (1998)
arXiv:gr-qc/9808081
[6]: J. D. Anderson et al., Phys.
Rev. D 65, 082004 (2002)
arXiv:gr-qc/0104064
Denkbare Fehler
Satelliteneinflüsse
Über die 3 m große Hauptantenne sind während der gesamten Sondenlebensdauer Funksignale mit 8 W Leistung abgesendet worden, was auf die Sonden eine Rückstoß von 15% der Anomalie weg von der Sonne (die Hauptantenne zeigt immer in Richtung Erde) und damit gegen die Richtung der Beschleunigung auf Grund der Pioneer-Anomalie bewirkt.
Von der durch Isotopenbatterien erzeugten Leistung von 2580 W sind 160 W in elektrische Energie umgewandelt worden. Die restlichen mehr als 1000 W sind als Wärmestrahlung abgegeben worden führten somit analog zu den Funksignalen zu einer zusätzlichen Sondenbewegung. Bereits eine gerichtete Abstrahlung von 63 W würde die Anomalie erklären. Aus zweierlei Gründen kann die Abstrahlung aber kaum Einfluss nehmen. Zum Einen sollte die Abnahme der Leistung um 80% der RTGs innerhalb von 20 Jahren eine Änderung der Beschleunigung um mehr als 30% bewirken, was aber im Widerspruch zur Beobachtung steht (Abb. 13). Des Weiteren sind die Isotopenbatterien geometrisch angeordnet (Abb. 7), was eine symmetrische Abstrahlung der Wärme zur Folge hat und somit schwer einen Gerichteten effekt hervorrufen kann.
Das Plutonium (238Pu) in den Isotopenbatterien erzeugt durch die intensive Alphastrahlung Helium, welches mit 1,22 km/s austritt und einen Rückstoß hervorruft. Die Zerfallsrate der 2 RTGs produzierte pro Jahr maximal 0,77 g Helium, welches wiederum maximal 15% der Anomalie erklären würde, auf Grund der symmetrischen Anordnung der Batterien aber maximal zu 1,5% beiträgt.
Jedes Sondenmanöver zur Ausrichtung auf die Erde verursachte eine Drehimpuls mit verbundener Geschwindigkeitsänderung, zusätzlich zog eine Feuern der Steuerdüsen einen unkontrollierten Treibstoffaustritt nach sich, der mehrere Tage anhielt und entsprechende Bewegungen der Sonde zur Folge hatte. Allerdings lassen sich diese Effekte sehr genau berücksichtigen und aus dem Messbefunden herausrechnen.
Es wurde vermutet, dass sich die Wärme-Abstrahlcharakteristik der RTGs durch Sonnenstrahlung und Sonnenwind auf der der Erde zugeneigten Seite und interplanetarer Staub auf der Rückseite verändert haben könnte. Andere Sonnenmissionen zeigten allerdings keinerlei derartige Effekte, außerdem wäre ein solches Phänomen in der näheren strahlungsintensiven Jupiterumgebung deutlich hervorgetreten. Eine geänderte Abstrahlcharakteristik müsste zudem in einer Änderung der Oberflächentemperatur der RTGs bemerkbar sein, was aber nicht gemessen wurde. Vielmehr ließ die Konstanz der Temperatur eine Einschränkung des möglichen Einflusses auf die Beschleunigung auf maximal 10% zu.
Schließlich können unkontrollierte Treibstoffverluste zu einer Beschleunigung führen. Die dadurch verursachte Drehimpulsveränderung der Sonde lässt sich verlässlich aus der Spin-Rate der Sonden ermitteln, man kommt dann auf maximal 5% der Anomalie. Des Weiteren wäre es sehr unwahrscheinlich, dass beide Sonden einen gleich großen Treibstoffverlust erleiden. |
Gravitative Einflüsse
Für die Beschreibung der Sondenbahnen wurden die gravitativen Einflüsse von Sonne, Planeten, Mond und größeren Asteroiden sowie Kometen berücksichtigt (Hperfein-Potential von Einstein-Infeld-Hoffmann [7]) ebenso wie der Einfluss der gravitativen Laufzeitverzögerung für Radiosignale im Gravitationsfeld von Sonne, Mond und Planeten.
Zusätzliche interplanetare Materie in Form von Staub oder unbekannte Masse im Kuiper-Gürtel würde die Sonde gravitativ oder durch Reibung mit Staubpartikeln abbremsen und Radiosignale dispersiv verändern.
Abgesehen von der Tatsache, dass eine Masse, welche aufgrund ihrer Größe Urheber der Anomalie sein könnte, auch merkbare Einflüsse auf die Planetenbahnen nehmen sollte, ließen sich derartige Effekte durch Konsistenzbetrachtungen auf mehreren Ebenen ausschließen [6]. |
Literaturverzeichnis:
[7]: A. Einstein, L. Infeld und B. Hoffmann, Annals Math. 39, 65 (1938)
Nicht-gravitative Einflüsse
Beobachtungseinflüsse
Üblicherweise werden Sondenbewegungen in baryzentrischen Koordinaten beschrieben, die durch das ICRF ( International Celestial Reference System) festgelegt sind und durch die Berücksichtigung von 212 extragalaktischen Quellen als quasi-stationär angesehen werden können. Alle sondenbezogenen Messungen erfolgen über das DSN und unterliegen damit der gesamten Erdbewegung ( Präzession,
Nutation, Rotation, Polbewegung,
Gezeitenkräfte, Tektonik), deren genaue Daten vom IERS ( International Earth Rotation and Reference Systems Service) und EOP ( Earth Orientation Parameters) übernommen werden. LLR ( Lunar Laser Ranging),
SLR ( Satellite Laser Ranging) und VLBI ( Very Long Baseline Interferometry) liefern Daten zur Unregelmäßigkeiten und Abbremsung der Erdrotation.
Die Ephemeriden-Zeit muss über genaue Lage, Geschwindigkeit und Gavitationspotential der Bodenstation auf die TAI ( Internationale Atomzeit) umgerechnet werden, welche wiederum mit der UT1 ( Universal Time 1) zu verknüpfen ist.
Effekte am DSN (Alterungserscheinungen, Einflüsse von Masse, Wind, Tektonik, ... auf die Parabolantennen), die Blauverschiebung des Dopplersignals auf Grund von Drifts in der Zeitmessung oder Drifts der Trägerfrequenz und die Dispersion durch interplanetares Gas und Plasma konnten durch Modellrechnungen, Vergleiche mit anderen Satelliten und Pulsaren sowie durch Messungen der Dispersion bei anderen Sondenmissionen abgeschätzt werden und weisen keine Signifikanz auf.
Jedenfalls zeigt die Anomalie
eine Tages- und Jahres-Modulation von 10%, die man auf ungenaue Daten in den Programmen zur Bahnberechnungen zurückführt, am eigentlichen Befund der Pioneer-Anomalie, nämlich einer über Jahre hinweg konstanten Beschleunigung, aber nichts ändert.
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Erklärungen
Alle bisher durchgeführten Untersuchungen lassen keinen systematischen Einfluss zur Erklärung des Bobachtunsbefundes erkennen, wohl auch deshalb, weil die meisten Effekte zeitabhängig sind und damit der Konstanz der Anomalie widersprechen.
Damit bleiben als Erklärung nur ein bisher unberücksichtiger Effekt der Standardphysik oder aber eine "Neue Physik", die sich außerhalb der etablierten Standardtheorien bewegt.
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Standardphysik
Untersucht man den Wert der Anomalie genauer, lässt sich eine erstaunliche Übereinstimmung desselben mit dem Produkt aus der Hubble-Konstante und der Lichtgeschwindigkeit feststellen, womit eventuell ein Bogen zur kosmischen Expansion gespannt werden kann. Eine derartig exotische Wirkung würde neben der Sonde und deren Signale mit dem Doppleermechanismus auch das gravitative Feld der Sonne und die Planetenbahnen beinflussen. Es gibt einige Versuche, den Einfluss der kosmischen Expansion auf das Sonnensystem abzuschätzen (etwa Einstein und Straus [8]), wobei der denkbare Einfluss in fast allen Fällen weit unter der Nachweisgrenze liegt, sodass de facto von einem größenmäßig konstanten Sonnensystem ausgegangen werden kann.
Die sogenannte "Spin-Rotations-Kopplung" kann durch einen rotierenden Sender oder Empfänger entstehen ([9]) und eine Geschwindigkeit suggerieren, die aber um Größenordnungen zu klein ist, um für die Pioneer-Anomalie verantwortlich zu zeichnen.
Eine Beschleunigung der Sonden Richtung Sonne kann sich ergeben, wenn die Sonne etwa durch Abstrahlung von Photonen oder Sonnenwind orthogonal zur Ekliptik beschleunigt wird ([10]), allerdings scheitert dieser Erklärungsversuch wieder an der Stärke der daraus resultierenden Beschleunigung, die wiederum um Größenordnungen zu klein ist. |
Literaturverzeichnis:
[8]: A. Einstein und E. G. Straus, Rev. Mod. Phys. 17, 120 (1945)
[9]: J. D. Anderson und B. Mashhoon, Phys. Lett. A 315, 199 (2003)
[10]: D. Bini, C. Cherubini und B. Mashhoon, Phys. Rev. D 70, 044020 (2004)
"Neue Physik"
Milgrom schlägt eine Modifikation des Newtonschen Gravitationsgesetzes vor [11], welche sehr erfolgreich die Rotationskurven von Galaxien erklärt. Diese phänomenologische Anpassung der Beschleunigung ergibt sich zu a2=a0aNewton, wobei a0 eine charakteristische Beschleunigung ist, unterhalb welcher die Modifikation zur Anwendung kommt. a0 ergibt sich aus astrophysikalischen Messungen und ist, wie schon weiter oben gefunden, wieder von der Größenordnung des Produktes aus Hubble-Konstante und Lichtgeschwindigkeit und damit der Anomalie.
Modifiziert man das Newtonsche Gravitationspotential durch einen Yukawa-Anteil der Form αe-r/λ/r, lassen sich wiederum die Rotationskurven etlicher Galaxien rekonstruieren [12], eventuell ließe sich die Pioneer-Anomalie durch eine ähnliche Anpassung erklären.
Der durch zahlreiche Beobachtungen erhärtete Befund einer kosmologischen Expansion erfordert zwangsweise dunkle Energie, die als Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen in Form einer kosmologischen Konstanten gedeutet werden könnte. Über die Metrik kann ein derartiger Parameter auch auf die Bewegung von Sonden wirken. In Form der Quintessenz findet die dunkle Energie eine alternative Erklärung. In beiden Modellen gibt es Versuche, die Pioneer-Anomalie zu erklären [13,14].
Zahlreiche weitere Ansätze diskutieren verschiedenste Versionen von Skalar-Tensor-Theorien [15].
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Literaturverzeichnis:
[11]: A. Einstein und E. G. Straus, Rev. Mod. Phys. 17, 120 (1945)
[12]: I. Antoniadis in: D: Giuliani, C. Kiefer und D. Lämmerzahl (Hrsg.), Quantum Gravity (2003), S. 337
[13]: L. Nottale,
arXiv:gr-qc/0307042
[14]: J. P. Mbelek ,
arXiv:gr-qc/0402088
[15]: Literaturlinks unter
http://www.space-time.info/pioneer/pioanomlit.html
III. Ausblick
Zur endgültigen Klärung des Beobachtungsbefundes ist neben weiteren Untersuchungen und vertiefter Analyse der vorhandenen Daten auch die Beschaffung von neuen Daten ausschlaggebend, welche etwa bei der ESA in Form der Sondenmission "Deep Space Gravity Probe" [16], welche neben der Aufklärung der Pioneer-Anomalie auch ein tieferes Verständnis der Astrophysik und Kosmologie zum Ziel hat.
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Literaturverzeichnis:
[16]: H. Dittus et. al. ,
arXiv:gr-qc/0506139
IV. Literturempfehlungen
Die folgende Bücherliste gibt Hinweise auf interessante und empfehlenswerte Titel aus dem Umfeld der Pioneer-Sonden:
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Max Born, Springer-Verlag:
Die Relativitätstheorie Einsteins. Kommentiert und erweitert von Jürgen Ehlers und Markus Pössel. |
Kein geringerer als Max Born persönlich führt auf der Basis einer mathematisch-physikalischen Vorbildung auf gymnasialem Oberstufenniveau in die wohl wichtigste Theorie des 20. Jahrhunderts ein. Ein Muss für all jene, welche verstehen wollen, wie die theoretischen Grundlagen der Atombombe aus den "vorrelativistischen Äthertheorien" hervorgegangen sind.
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V. Anregungen und Kommentare
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